
„Es gibt Menschen, die ihre Neurosen lieben.
Sie nennen das dann Psychoanalyse.“
Kurt Tucholsky (1890–1935), Deutscher Satiriker
Advokatus Diaboli
Die Psychoanalyse ist umstritten und das schon seit ihrer Geburt.
Freud? Ein sexistischer Scharlatan.
Seine Theorien? Unwissenschaftlich!
Sowieso, geht es bei Freud nur um Sex - Nein. Ausser, Sie hätten vielleicht gerne, dass es so ist?
Psychoanalyse? Kein Bisschen Lösungsorientiert.
Der Analytiker? Machtgeil und vernarrt in seine Deutungshoheit.
Anwalt des Teufels
Auf dieser Seite gehe ich auf häufige Einwände gegen Freud und die Psychoanalyse als Methode ein und bin Anklägerin und Verteidigerin zugleich.
Advocatus Diaboli heißt wörtlich „Anwalt des Teufels“ und beschreibt jemanden, der absichtlich die Gegenposition einnimmt, um eine Idee oder Argumente zu hinterfragen – auch wenn er selbst nicht unbedingt dieser Meinung sein muss.
Es geht darum Gedanken kritisch zu prüfen.
Weil es mir FREUD(e) macht
Dabei nehme ich die bedeutungsschwere Psychoanalyse nicht immer ganz so ernst, wie sie sich selbst.
Auf dieser Seite finden Sie also nicht den „Ernst des Lebens“ – sondern einen leichteren Zugang zu Freud & Co.
Zur Auflockerung gibt es KI-Bilder – historisch zweifelhaft, aber unterhaltsam.
Mit dieser Seite möchte ich zeigen, dass man Psychoanalyse weder dogmatisch verteidigen noch pauschal ablehnen muss.
Lesen Sie weiter.
Oder verdrängen Sie es.
Beides ist aufschlussreich…
Und falls Sie eine interessante Kritik haben, schicken Sie mir diese gerne per E-Mail. Vielleicht findet sie hier ihren Platz.

„Freud hat Kokain als Therapie empfohlen – vermutlich war er selber drauf, als er die Psychoanalyse entwickelt hat!“
Ja, Freud hat mit Kokain experimentiert und es konsumiert – und ja, er hat es eine Zeit lang sogar als Medikament befürwortet.
Aber bevor Sie jetzt das Bild von Freud als drogensüchtigem Psycho-Guru im Kopf haben, ein bisschen Kontext:
Kokain als medizinisches Wundermittel
im 19. Jahrhundert wurde Kokain in Europa und Nordamerika zuerst noch als vielseitiges Wundermittel in der Medizin angesehen.
Ärzte, Wissenschaftler und Apotheken priesen es als vielseitig einsetzbares Mittel – gegen Müdigkeit, Schmerzen und Depressionen. Freud war also nicht der Einzige, der sich davon therapeutisches Potenzial versprach.
Er beschäftigte sich mit Kokain, weil es damals als vielversprechendes Medikament galt. Die gesundheitlichen Risiken und das Suchtpotenzial waren zu dieser Zeit noch nicht umfassend erforscht.
"Über Coca"
In den frühen 1880er Jahren war Freud kein berühmter Psychoanalytiker, sondern ein junger Assistenzarzt am Wiener Allgemeinen Krankenhaus.
Er suchte nach wissenschaftlichen Themen, mit denen er sich profilieren konnte.
Erst 1883/1884 stieß er auf Berichte über Kokain und begann, sich intensiv damit zu beschäftigen. 1884 veröffentlichte er die Arbeit Über Coca, in der er euphorisch über die positiven Effekte der Substanz schrieb.
Seine Begeisterung für Kokain führte dazu, dass er es in mehreren Publikationen als Mittel gegen Müdigkeit, Schmerzen und sogar Morphiumsucht empfahl.
Freud hat selber Kokain konsumiert
Im 19. Jahrhundert war es unter Ärzten üblich, neue Substanzen am eigenen Körper zu testen – auch Freud machte da keine Ausnahme und probierte Kokain selbst.
Zwischen 1884 und 1896 nutzte Freud Kokain vermutlich regelmäßig gegen diverse Schmerzen oder Stimmungsschwankungen (dies geht aus seinen persönlichen Briefen hervor, in denen er dies erwähnt).
Ein bedeutender Fehler
Sein Freund, Fleischl-Marxow, litt an einer schweren Morphiumsucht, und Freud hoffte, dass Kokain als Substitutionsmittel helfen könnte. Dies erwies sich als fatale Fehleinschätzung: Fleischl-Marxow entwickelte eine starke Kokainabhängigkeit, zusätzlich zur bestehenden Morphinsucht und verstarb schließlich an den Folgen seines Substanzmissbrauchs. Freud sprach sich später nicht mehr für den medizinischen Einsatz von Kokain aus. 1887 warnte er in einem Nachtrag zu einem Fachartikel vor den Risiken – bevor sein Freund Fleischl-Marxow 1891 an den Folgen einer kombinierten Morphin- und Kokainabhängigkeit starb.
Die Entstehung der Psychoanalyse
Seine zentralen Theorien, darunter das Konzept des Unbewussten und die Traumdeutung, entstanden in einer späteren Phase seines Schaffens, als Kokain in seiner Profesionellen Arbeit keine große Rolle mehr spielte.
1895 veröffentlichte er mit Breuer Studien über Hysterie, den Grundstein der Psychoanalyse. 1900 folgte Die Traumdeutung, sein erstes großes Werk zur Theorie des Unbewussten. Seine zentralen Theorien – etwa über psychosexuelle Entwicklung (1905) oder das Strukturmodell von Ich, Es und Über-Ich (1923) – entstanden nach seinen Kokainexperimenten bzw. Empfehlungen.
Jaja, aber hat er Kokain konsumiert, während er die Psychoanalyse entwickelte?
Möglich wärs. Vielleicht hat er beim Schreiben von der "Traumdeutung" Nasensport betrieben, sich sozusagen am Wiener Schneefall erfreut.
Für mich persönlich relevant:
Es gibt keine Belege dafür, dass Freud seinen Patienten und -Innen im Rahmen der Analyse Kokain empfahl – und die Substanz wurde auch nie Teil seiner Methode oder Theorie. Ob er aber beim Schreiben heimlich nachgeholfen hat oder später privat konsumierte? Das bleibt also Spekulation – und Teil der Freud-Legende.
Interessante und kritische Links dazu:
Daiber, J. (2018). Therapeutisches Scheitern: Freud, das Kokain und die Literatur. In Hofmannsthal Jahrbuch zur Europäischen Moderne (Bd. 26, S. 261–307). Erich Schmidt Verlag. https://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/48316/file/HJb_26_2018_261_307.pdf
Sheppard, R. (2019). Freud: The man, the scientist, and the birth of psychoanalysis. Welbeck Publishing Group.
Oliver, S. (n.d.). How Cocaine Influenced the Work of Sigmund Freud. VICE. https://www.vice.com/en/article/how-cocaine-influenced-the-work-of-sigmund-freud