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Vorwurf I: Freud war ein Kokser

  • Autorenbild: Lena R. Eigenmann
    Lena R. Eigenmann
  • 7. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit

Ja, Freud hat mit Kokain experimentiert und es konsumiert – und ja, er hat es eine Zeit lang sogar als Medikament befürwortet. ​​ Aber bevor Sie jetzt das Bild von Freud als drogensüchtigem Psycho-Guru im Kopf haben, hier ein bisschen Kontext:

Kokain als medizinisches Wundermittel 

im 19. Jahrhundert wurde Kokain in Europa und Nordamerika zuerst noch als vielseitiges Wundermittel in der Medizin angesehen.

Ärzte, Wissenschaftler und Apotheken priesen es als vielseitig einsetzbares Mittel – gegen Müdigkeit, Schmerzen und Depressionen. Freud war also nicht der Einzige, der sich davon therapeutisches Potenzial versprach.


Er beschäftigte sich mit Kokain, weil es damals als vielversprechendes Medikament galt. Die gesundheitlichen Risiken und das Suchtpotenzial waren zu dieser Zeit noch nicht umfassend erforscht.

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"Über Coca"

In den frühen 1880er Jahren war Freud kein berühmter Psychoanalytiker, sondern ein junger Assistenzarzt am Wiener Allgemeinen Krankenhaus.

Er suchte nach wissenschaftlichen Themen, mit denen er sich profilieren konnte.


Erst 1883/1884 stieß er auf Berichte über Kokain und begann, sich intensiv damit zu beschäftigen. 1884 veröffentlichte er die Arbeit Über Coca, in der er euphorisch über die positiven Effekte der Substanz schrieb.

​Seine Begeisterung für Kokain führte dazu, dass er es in mehreren Publikationen als Mittel gegen Müdigkeit, Schmerzen und sogar Morphiumsucht empfahl. 

​Freud hat selber Kokain konsumiert

Im 19. Jahrhundert war es unter Ärzten üblich, neue Substanzen am eigenen Körper zu testen – auch Freud machte da keine Ausnahme und probierte Kokain selbst.

Zwischen 1884 und 1896 nutzte Freud Kokain vermutlich regelmäßig gegen diverse Schmerzen oder Stimmungsschwankungen (dies geht aus seinen persönlichen Briefen hervor, in denen er dies erwähnt).

Ein bedeutender Fehler 

Sein Freund, Fleischl-Marxow, litt an einer schweren Morphiumsucht, und Freud hoffte, dass Kokain als Substitutionsmittel helfen könnte. Dies erwies sich als fatale Fehleinschätzung: Fleischl-Marxow entwickelte eine starke Kokainabhängigkeit, zusätzlich zur bestehenden Morphinsucht und verstarb schließlich an den Folgen seines Substanzmissbrauchs. Freud sprach sich später nicht mehr für den medizinischen Einsatz von Kokain aus. 1887 warnte er in einem Nachtrag zu einem Fachartikel vor den Risiken –  Noch bevor sein Freund Fleischl-Marxow dann 1891 an den Folgen einer kombinierten Morphin- und Kokainabhängigkeit starb.

Die Entstehung der Psychoanalyse

Seine zentralen Theorien, darunter das Konzept des Unbewussten und die Traumdeutung, entstanden in einer späteren Phase seines Schaffens, als Kokain in seiner profesionellen Arbeit keine große Rolle mehr spielte.

1895 veröffentlichte er mit Breuer Studien über Hysterie, den Grundstein der Psychoanalyse. 1900 folgte Die Traumdeutung, sein erstes großes Werk zur Theorie des Unbewussten. Seine zentralen Theorien – etwa über psychosexuelle Entwicklung (1905) oder das Strukturmodell von Ich, Es und Über-Ich (1923) – entstanden nach seinen Kokainexperimenten bzw. Empfehlungen.

Jaja, aber hat er Kokain konsumiert, während er die Psychoanalyse entwickelte?

Möglich wärs. Vielleicht hat er beim Schreiben von der "Traumdeutung" Nasensport betrieben, sich sozusagen am Wiener Schneefall erfreut.

Für mich persönlich relevant:

Es gibt keine Belege dafür, dass Freud seinen Patienten im Rahmen der Analyse Kokain empfahl – und die Substanz wurde auch nie Teil seiner Methode oder Theorie.  Ob er aber beim Schreiben heimlich nachgeholfen hat oder später privat konsumierte? Das bleibt also Spekulation – und Teil der Freud-Legende.



Freud beantwortet Briefe mit seinem MacBook Pro.
Freud beantwortet Briefe mit seinem MacBook Pro.


Interessante und kritische Links zum Thema:

Daiber, J. (2018). Therapeutisches Scheitern: Freud, das Kokain und die Literatur.


In Hofmannsthal Jahrbuch zur Europäischen Moderne (Bd. 26, S. 261–307). Erich Schmidt Verlag. https://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/48316/file/HJb_26_2018_261_307.pdf


Sheppard, R. (2019). Freud: The man, the scientist, and the birth of psychoanalysis. Welbeck Publishing Group.

Oliver, S. (n.d.). How Cocaine Influenced the Work of Sigmund Freud. VICE.  https://www.vice.com/en/article/how-cocaine-influenced-the-work-of-sigmund-freud

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